Exogene allergische Alveolitis


 

Exogene allergische Alveolitis (EAA)

 

Definition
Die exogene allergische Alveolitis (EAA) ist eine Lungenerkrankung, die im Gegensatz zur klassischen Pneumonie, bei der vor allem die Alveolen selbst betroffen sind,  das Lungeninterstitium (Zwischenzellgewebe) in Mitleidenschaft gezogen wird (Skizze).



Skizze zur Lokalisation der feingeweblichen Veränderungen bei der EAA und interstitiellen Pneumonie


Die EAA geht einher mit überwiegend restriktiver Ventilationsstörung, die vor allem durch Inhalation organischer Stäube verursacht wird. Mit fortschreitender Exposition und Krankheitsdauer kommt es zur diffusen Lungenfibrose.


Häufigkeit
Genaue epidemiologische Daten über die Prävalenz und Altersverteilung der EAA im Kindesalter fehlen, da mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist. In Deutschland gibt es allein über 100.000 Brieftaubenzüchter mit ihren Familien und noch mehr Menschen mit engen Kontakt zu Nutz- und Ziervögeln (Abb. 1).



Abb. 1 Vogelausstellung in einer Turnhalle

 


Die häufigste Form der EAA im Kindes- und Jugendalter stellt die Vogelhalterlunge dar. Als Allergene kommen jedoch auch Bakterien und Schimmelpilze (Abb. 2) sowie Pflanzen und systemisch applizierte Medikamente (Nitrofurantoin, Amiodaron, Carbamazepin) und anorganische Substanzen (wie Isocyanate) in Betracht.



Abb. 2  Zimmerbrunnen: Quelle von Bakterien und Schimmelpilze
             (Koschel et al. Pneumologie 2004; 58:666-669) 



Pathogenese
Folgt man der Einteilung der Immunmechanismen nach Coombs und GEll, so wird vorrangig eine Typ III-Reaktion nach Coombs und Gell als zugrundeligender Mechanismus angesehen.

Moderne Vorstellungen gehen davon aus, dass TH1-Lymphozyten aktiviert werden, die über die Zytokine Interleukin-2 (IL-2) und Interferon-γ eine spezifische IgA- sowie IgG-Produktion bedingen. Zu einem geringeren Teil werden auch TH2-Zellen stimuliert, die über IL-4, IL-13 und IL-5 eine IgE-Synthese und Aktivierung eosinophiler Granulozyten induzieren. TH1 und TH2 stehen dabei in negativ korrelierter Wechselwirkung (Abb.  3).
Als Auslösemechanismen werden Affektionen des Respirationssystems infektiöser und toxischer Genese diskutiert. Ebenso wird eine genetische Disposition mit familiärer Häufung beschrieben, wobei HLA-DR 3 in erhöhter Frequenz gefunden wurde.



Abb. 3 Immunpathologie der EAA

 

 


Diagnostik
Beim akuten Krankheitsbild werden im typischen Fall Fieber, Husten, Grippegefühl, Tachypnoe, ggf. auch Dyspnoe sowie Nasenflügelatmen beobachtet. Subakute und chronische Verläufe äußern sich mit langsam zunehmender Belastungsdyspnoe, reduziertem Allgemeinzustand und Gewichtsabnahme (Tab. 1). Bei fortschreitender Fibrosierung fallen Ruhedyspnoe, Zyanose, Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger auf. Nur bei etwa 50 % der Patienten finden sich auskultatorisch feinstblasige Rasselgeräusche (Krepitationen).

 

Tab. 1 Diagnostik der exogen-allergischen Alveolitis (EAA).
Die EAA gilt als gesichert, wenn mindestens 4 Majorkriterien und 2 Minorkriterien
erfüllt sind wenn alle Krankheiten mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen wurden [3].

Majorkriterien
:

·        EAA-typische Symptome verstärken sich innerhalb von Stunden nach Allergenkontakt

·        Bestätigung derAllergenexposition mittels Anamnese, Umgebungsuntersuchung und Nachweis von Antikörpern ("Präzipitinen") im Serum oder in der bronchoalveolaren Lavage(BAL)-Flüssigkeit

·        Typische Veränderungen im konventionellen Röntgenbild oder im HR-CT

·        Lymphozytose in der BAL, sofern eine durchgeführt wurde [nicht für Kinder zutreffend]

·        Typische histologische Merkmale, sofern eine Histologie erfolgte (s.u.)

·        Positiver inhalativer Provokationstest [bei Kindern nicht empfohlen]

Minorkriterien:

·        (feinstblasige) Rasselgeräusche

·        Verminderte Vitalkapazität, verminderte Diffusionskpazität (nicht obligatorisch),
Ruhe- oder Belastungshypoxämie in der arteriellen Blutgasanalyse

 

 

Dem Hauttest wird im allgemeinen nur geringe Bedeutung zugebilligt, da er falsch-positiv oder falsch-negativ ausfallen kann. Zu beachten ist, dass auch Präzipitine ( Doppeldiffusion nach Ouchterlony, s. Abb. 4) unspezifisch positiv oder negativ ausfallen können. Verlässlicher ist der quantitativen IgG-Nachweis mittels ELISA etc. Damit ist auch die Erfassung nicht-präzipitierender IgG-Antikörper möglich (Übersicht bei [2]). Mit der aufwändigen indirekten Immunfluoreszenz-Technik lassen sich darüber hinaus auch spezifische Ig A- und M-Antikörper ermitteln (Abb. 5).

 

Abb. 4  Doppeldiffusion nach Ouchterlony: Patienten-Serum gegen Taubenkot (TK) bzw.  Taubenserum (TS): semiquantitative Auswertung anhand der Präzipitationslinien

 

 

 

Abb. 5 Antikörpernachweis (Ig M, G) im Patientenserum mit Immunfluoreszenztechnik am Wellensittichdarm

 


 

Lungenfunktionsdiagnostik: Klinisch am wichtigsten zur Erfassung der bestehenden restriktiven Ventilationsstörung ist die Vitalkapazität (Abb. 6). Die Diffusionskapazität wird häufig  überbewertet. In Grenzfällen kann vor allem die Bestimmung des pO2 aus einem gut hyperämisierten Hautareal unter Belastung weiterhelfen. In Ausnahmefällen wird man auch heute noch die Messung der statischen und dynamischen Compliance zur differenzierten Funktionsdiagnostik heranziehen, obwohl die Messung der Atemmuskelkraft bei ruhiger Atmung (P0.1) die Beanspruchung der Atemmuskulatur („Last“) bei verminderter Lungendehnbarkeit recht gut widerspiegelt [9].

 

 

Abbildung 6 Vitalkapazität (VC) und volumenbezogene Lungendehnbarkeit (CL stat/IGV)  bei EAA ("Taubenzüchterlunge")

 



 

Eine normale Lungenfunktion und normale Blutgase unter Belastung schließen eine interstitielle Lungenerkrankung weitgehend aus [2, 10]. Allerdings ist ein Teil der Funktionstests in ihrer Anwendung bei Kindern erst ab einem Alter von 6-8 Jahren durchführbar, da sie eine gute Kooperation voraussetzen. Hier können sich diagnostische Lücken ergeben, die sich durch die bildgebenden Verfahren nicht schließen lassen:

Die Spezifität der konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax bezüglich interstitieller Lungenveränderungen ist eher gering einzuschätzen (Abb. 7).



Abbildung 7      Röntgen-Thorax (p.a.) bei EAA

 



 

Sensitiver ist die hochauflösende (High-Resolution) Computertomographie (HR-CT). Sie geht mit einer wesentlich geringeren Strahlenbelastung als das konventionelle CT einher, wenn man sich beispielsweise auf 4 – 6 repräsentative Schichten beschränkt. Im HR-CT werden feingranuläre Veränderungen, zentrilobuläre, peribronchioläre, schwer abgrenzbare Knötchen sowie interstitielle Infiltrate („Mattglasphänomen“) als typisch angesehen (Abb. 8).

 

Abbildung 8   Hochauflösende Computertomographie (HRCT) bei EAA,

 9 J. , m ("Wellensittichhalterlunge")


 

 

Beim Nachweis von Bronchiektasen, Honigwabenstrukturen und deformierter Lungenarchitektur ist von irreversiblen Schädigungen auszugehen. Auch mittels HR-CT finden sich lediglich bei 50-60 % der Patienten typische pathologische Veränderungen [11]. Im eigenen Krankengut wurde in den letzten 4 Jahren bei 9 Kindern und Jugendlichen in der Anfangsphase einer EAA eine HR-CT veranlasst, welche in zwei Fällen trotz deutlicher klinischer Auffälligkeiten und pathologischer Lungenfunktion keinen auffälligen Befund zeigte.

Die diagnostische Bronchuslavage (BAL) kann zur Klärung der Ätiologie der EAA herangezogen werden und lässt häufig eine Einstufung der Aktivität zu. Im typischen Fall zeigt das Differentialzellbild anders als bei der Sarkoidose im initialen Krankheitsstadium eine Lymphozytose mit eher niedriger CD4/CD8-Ratio. Da dies bei jungen Kindern normal ist, dürfen daraus nur vorsichtige Schlussfolgerungen gezogen werden. Ein hoher Anteil an Lymphozyten insgesamt weist eher auf einen frischen entzündlichen Prozess, reichlich neutrophile Granulozyten auf einen Fibrosierungsprozess hin. Asymptomatisch allergenexponierte Menschen können jedoch ähnliche Zellverteilungen aufweisen [12, 13, 14]. Daher erscheint bei gesicherter Diagnose aufgrund Klinik, differenzierter Lungenfunktions- und Röntgenbefund/HR-CT sowie Nachweis von Präzipitinen bzw. spezifischen IgG-Antikörpern eine BAL entbehrlich.

 

Bei progredientem Krankheitsgeschehen ist eine (offene/thorakoskopische) Lungenbiopsie zur Stadienzuordnung sinnvoll (Abb. 6).

 


Abb. 6  Histologie bei EAA

 

.

 

 

Abbildung 10 Kollagen produzierender Fibroblast (Elektronenmikroskopie) bei einem 14jährigen Mädchen mit einer um ca. 5 Jahre verzögerten Diagnosestellung einer EAA.

Eine Stabilität des Krankheitsverlaufs auf akzeptablem Niveau ließ sich erst durch die Therapie mit einer Dreierkombination (Methylprednisolon, Azathioprin und D-Penicillamin) erreichen.

 

 

 

 

 

Therapie

Wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Allergenkarenz unter Berücksichtigung möglicher Kreuzreaktionen. So sollten Patienten mit einer „Taubenzüchterlunge“ auch Kontakt mit Ziervögeln, Enten, Gänsen und Hühnern meiden. Allerdings scheint  bei einigen Patienten die Krankheit fortzuschreiten, auch wenn eine weitere Allergenexposition vermieden wird [3, 15, 16].

In der Regel wird eine ergänzende systemische Glucocorticoidtherapie mit Prednisolon befürwortet, damit floride immunologische Prozesse möglichst rasch gedämpft werden (Tabelle 3). Der Kliniker ist vom Sinn dieses Vorgehens überzeugt. Systematische Studien, die die Wirksamkeit belegen, stehen aus, vermutlich weil man in der Regel - beeindruckt vom akuten Krankheitsgeschehen - jedem Risiko einer weiteren Progredienz aus dem Weg gehen möchte.

Als Richtschnur gilt: Bei akutem Krankheitsgeschehen genügt eine niedrig dosierte und kürzere Glucocorticoidtherapie, bei subakutem und chronischem Verlauf therapiert man mit höherer Dosis und länger (Tab. 3 [3]), um den antiproliferativen Effekt zu nutzen [17].

Bei einem Teil der Patienten sind – meist periphere – obstruktive Ventilationsstörungen dokumentiert, die häufig übersehen werden (s. Tab. 2). Unter diesen Umständen empfiehlt sich eine ergänzende inhalative Kortikosteroidtherapie, bei nachweisbarer Reversibilität auch ein Bronchodilatator.

 

 

 

Tabelle 3 Initiale Therapie bei exogen allergischer Alveolitis

·        Sofortige Allergenkarenz: meist stationäre Aufnahme ratsam;
Einleitung von Sanierungsmaßnahmen in häuslicher Umgebung;

·        Prednisolon systemisch:
bei akutem Krankheitsgeschehen. initial ca. 2 mg/kg;
unter Lungenfunktionskontrolle (pO2, Vitalkapazität) rasche Reduzierung auf 0,5 mg/kg; dann behutsame Reduzierung auf ca. 0,2 mg/kg/Tag, Ausschleichen nach ca. 4 Wochen;
bei subakutem/chronischen Krankheitsgeschehen. initial (5-) 3 mg/kg;
unter Lungenfunktionskontrolle (pO2, Vitalkapazität) rasche Reduzierung auf 0,5 mg/kg;
dann behutsame Reduzierung auf ca. 0,2 mg/kg/Tag bzw. 0,4 mg/kg alternierend
(Therapiedauer zunächst 3 - 6 Monate, nach Normalisierung der Vitalkapazität: Kontrollen mit differenzierter Lungenfunktionsdiagnostik wie pO2 unter Belastung);
alternativ: Prednisolon-Pulstherapie (10 - 30 mg/kg an 3 Tagen);

·        Bei Bedarf O2-Insufflation, Bronchodilatatoren etc.

 

 

Ist ein progredientes Krankheitsgeschehen zu erkennen mit ungenügendem Ansprechen auf Steroide oder erheblichen Steroidnebenwirkungen, so ist eine Kombination mit anderen immunsuppressiv und antiproliferativ wirkenden Medikamenten sinnvoll, z.B. Azathioprin, Cyclophosphamid, Cyclosporin A, Methotrexat, Hydrochloroquin oder D-Penicillamin [1, 2, 5, 13]. Auch Methylprednisolon-Stoßtherapien alle 4 Wochen zeigen ermutigende Ergebnisse [18]. Bei irreversibler Lungenfibrose mit foudroyantem Verlauf ist die Lungentransplantation eine mögliche Option.

 

Prognose

In vielen Fällen wird die Erkrankung zu spät erkannt, notwendige therapeutische Maßnahmen werden somit verzögert. Dadurch wird häufig ein Fibrosierungsprozess in Gang gesetzt, der sich nur langsam oder gar nicht mehr zurückbildet [19], wie auch bei einigen Patienten im eigenen Kollektiv festzustellen war (Tab.4). Bei rechtzeitig diagnostizierter und therapierter EAA ist die Prognose jedoch gut. Bei Hinweisen auf eine restriktive Störung sollte daher das Krankheitsbild der EAA frühzeitig in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.

 

 
 
s. auch
Exogene allergische Alveolitis (EAA)
Lindemann H., Steiß J.O.: päd 14 390-395 (2008)
 
Bronchiale Obstruktion

Literatur

  1. Sennekamp H.J.: Exogen-allergische Alveolitis. Dustri, Deisenhofen 1998
  2. Lindemann H.: Exogen allergische Alveolitis. In: C. Rieger, H. von der Hardt, F. H. Sennhauser, U. Wahn, M. Zach (Hrsg.) Pädiatrische Pneumologie. Springer Berlin, Heidelberg, Tokio 2003, 2.Aufl., < (im Druck)
  3. Patel A.M., J.H. Ryu, C.E. Reed: Hypersensitivity pneumonitis: current concepts and future questions. J. Allergy Clin. Immunol. 108, 661-670 (2001)
  4. Fan L.L.: Hypersensitivity pneumonitis in children. Curr. Opin. Pediatr. 14, 323-326 (2002)
  5. Krüger M., M.Henschen, J.Forster, M.Brandis: Schwierigkeiten bei der Diagnose und Therapie der exogen allergischen Alveolitis (EAA). Monatsschr. Kinderheilkd. 143, 245-249 (1995)
  6. Resch B., E. Eber, M. Zach: Chronic interstitial lung diseases in childhood: bronchopulmonary dysplasia and exogenous allergic alveolitis. Klin. Pädiatr. 210, 331-339 (1998)
  7. Lindemann H., F. Keller, H.G. Vel čovsky : Exogene allergische Alveolitis im Kindesalter. Ergeb. Inn. Med. Kinderheilkd. 50, 1-30 (1982)
  8. Morell F.,V. Curull, R. Orriols, J. de Gracis: Skin tests in breeder’s disease. Thorax 41,  538-541 (1986)
  9. Lindemann H., W. Leupold : Lungenfunktionsdiagnostik bei Kindern. Kohlhammer, Stuttgart 2003, 2. Aufl.
  10. Schuyler M., Y. Cormier: The diagnosis of hypersensitivity pneumonitis. Chest 111, 534-536 (1997)
  11. Koh D.M., D.M. Hansel: Computes Tomography of diffuse interstitial lung disease in children. Clinical Radiology 55, 659-667 (2000)
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