Allergische Rhinitis ("Heuschnupfen") bei Kindern
Epidemiologie - Pathomechanismus - Diagnostik - Behandlung
Epidemiologie
Die Prävalenz der allergischen Rhinitis beträgt in Deutschland bei Kindern 20, 6 %. Diese Kinder entwickeln ein ca. 4-mal größeres Risiko für Asthma als Gleichaltrige.
Pathomechanismus
Allergen-verarbeitende (dendritische) Zellen nehmen in der Nasenschleimhaut das Allergen auf und transportieren es zu lymphatischem Gewebe im Rachenring und Halslymphknoten. Dort erfolgt unter dem Einfluß von T-Helfer-Zellen vom Subtyp 2 die allergenspezifische Produktion von Ig E-Antikörper, die vor allem an der Oberfläche von Schleimhaut-Mastzellen gebunden werden. Diese Mastzellen sind in der nasalen Mucosa deutlich erhöht. Sie sind verantwortlich für eine rasche Freisetzung von Histamin, Leukotrienen und Prostaglandinen sowie weiteren Mastzellmediatoren (Sofortphase).
U.a. kommt es zu einer weiteren Stimulation der TH-2-Zellen. Diese synthetisieren Zytokine (z.B. IL-4), die die Ig E-vermittelte allergische Entzündung fördern, und Chemokine wie IL-5, die weitere Zellen, insbesondere eosinophile Granulozyten stimulieren. Diese setzen ihrerseits Mediatoren (Leukotriene und Prostaglandine, bes.PGE 2) frei, die für die Spätphase der Entzündung verantwortlich sind (Abb. 1).
Die Blutgefäße der Nasenschleimhaut werden darüber hinaus vom autonomen Nervensystem über den Sympathikus, die Drüsen über den Parasympathikus reguliert.
Abbildung 1 Pathomechanismen und Therapieansätze bei allergischer Rhinitis

Symptome
Die wichtigsten Symptome sind Niesreiz, Juckreiz, Sekretion ("Fließschnupfen") sowie nasale Obstruktion ("Stockschnupfen") durch Vasodilatation und Ödembildung
Auslöser
saisonal : Baum-, Gräser-, Getreide-, Kräuterpollen; Schimmelpilzsporen
perennial: Haustaub-, Mehl-, Vorratsmilben, Schimmelpilzsporen, Tierallergene
nutritiv : Ei, Milch, Nüsse, Sellerie, Kern- u. Steinobst
andere : Latex, Mehlsorte, Holzarten etc.
Wichtige differentialdiagnostische Überlegungen:
- nerval-reflektorisch bedingte Rhinitis (cholinerg, adrenerg, peptiderg):
Sensorische Nervenendigungen, "irritant receptors" reagieren auf versch. Stimuli
mit Schleimhautschwellung und Hypersekretion (z.B. bei Überwiegen des parasympathischen Tonus)
- postinfektiös (nach viralen oder bakteriellen Infektionen)
- irritativ-toxisch (anorganische u. organische Stoffe; Privinismus, Antihypertensiva, ACE-Hemmer)
- endokrin (Schwangerschaft, Kontrazeption, Hypothyreose, Akromegalie)
- idiopathisch (unbekannter Pathomechanismus)
Diagnostik
Anamnese:
- Atopie in der Familienanamnese;
- Niesreiz oder/und Nasensekret oder/und "Stockschnupfen" mit Mundatmung,
unabhängig von Infekten, besonders in der Blütezeit, nach Tierkontakt, nach Mahlzeiten,
regelmäßig nachts (Hausstaubmilbe)
- nächtliches Schnarchen (DD: adenoide Vegetationen oder richtige Polyposis nasi)
Klinischer Befund: Hypersekretion, blass-blaue untere Nasenmuschel (Nasenendoskopie),
Mundatmung
atopische "Schwachzeichen" (Minor-Kriterien: Unterlidfalte, weißer Dermographismus,
Rhagaden, Perlèche etc.) beim Kind (Abb. 2);
evtl. Fieber ("Heufieber");
u.U. zusätzlich Augenjucken, -brennen, Tränen bei Rhinokonjunktivitis
Folgekrankheiten: Tubenventilationsstörungen, Paukenerguss, Mittelohrentzündungen, Sinusitis)
Abb. 2 a Weißer Dermographismus
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Abb. 2 b Seröse Rhinitis und Perlèche |
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Abb. 2 c Nasenfalte
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Hauttest: Prick-Test etwa ab 5. Lebensjahr mit den wichtigsten Inhalationsallergenen entsprechend den Verdachtsmomenten aus der Anamnese
Nasenausstrich:
- Eosinophile Granulozyten in "Nestern" (Abb. 4)
[- ECP (Eosinophilen-kationisches Protein) bzw. Tryptase im Nasensekret:
noch nicht in der Routine verfügbar]
Abb. 3 Eosinophile Granulozyten im Nasenabstrich
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Serologie:
- Gesamt-Ig E im Serum (evtl. erhöht)
- spezifisches Ig E im Serum (vorzugsweise Multiallergenscheiben oder ganz gezielt auf einzelne verdächtige Allergene;
Nahrungsmittelallergene nicht vergessen)
[- ECP: in der Routine entbehrlich ]
Nasale Provokation mit rhinomanometrischen Messungen:
selten erforderlich: bei gezieltem Verdacht und unklarer Situation
(bes. Diskrepanz zwischen Anamnese und Allergie-Test)
Therapie
Die Therapie richtet sich nach Dauer und dem Schweregrad der allergischen Rhinitis (AR).
Intermittierende AR: Beschwerden < 4Tagen pro Woche bzw. < 4 Wochen
Persistierende AR: Beschwerden > 4 Tage/Woche bzw. > 4 Wochen
Klassifikation der allergischen Rhinitis (AR) nach dem Schweregrad
leichte AR |
mäßige bis schwere AR |
normaler Schlaf |
Schlaf beeinträchtigt |
Tagesaktivitäten, Sport, Freizeit
normal möglich
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Störung bei Sport und Freizeitaktivitäten |
Arbeit u. Schule ohne Probleme möglich |
Probleme bei der Arbeit oder in der Schule |
keine störende Symptomatik |
Störende Symptomatik |
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Einer oder mehrere dieser Punkte |
Nicht-medikamentöse Behandlung
- ("Sekundäre") Prävention: Verzicht auf Tierhaltung (federn- und felltragende Tiere), Vermeiden unnötiger Staubquellen und Rauchen in der Wohnung; ggf. Verwendung hautfreundlicher milbendichter Kopfkissen u. Matratzenüberzüge ("encasing"), evtl. "Allergiker-Matratzen" zum Schutz gegen Milben; Einsatz von Staubsaugern mit Feinstaubfiltern.
Begründung: Das Risiko einer Sensibilisierung wird erhöht durch das Halten von Haustieren (Tierallergen, Vorratsmilbe, Schimmelpilze), Feuchtigkeit im Haus (Hausstaubmilben, Aspergillus fumigatus etc.) sowie aktives und passives Rauchen (s.auch Informationen für Laien: Merkblatt zur Sanierung).
- Allergenkarenz soweit möglich (bei bekannter Sensibilisierung)
- Medikamente: Überblick in Tabelle 1 (s.u.)
- Hyposensibilisierungsbehandlung (spezifische Immuntherapie = SIT): Prozedere wie bei Asthma
Tabelle 1: Medikamentöse Therapie der allergischen Rhinitis bei Kindern
Medikamente |
Indikation |
Anmerkung |
DNCG (z.B. Vividrin®-Nasen-
spray) bzw. Nedocromil-Natrium (z.B. Irtan®) |
leichte allerg.
Rhinitis |
Nachteil: meist
3 - 4 x /die nötig;
in Wirksamkeit den anderen Medikamenten unterlegen
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lokale Antihistaminika
(z.B. Allergodil®, Livocab®) |
bei leichten Beschwerden u. mäßiger Compliance
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Vorteil:
nur 1 - 2 x / die
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moderne systemische Antihistaminika
(z. B. Levocetirizin = Xusal®; Desloratadin = Aerius ®-Sirup)
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bei mäßigen Beschwerden
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Vorteil:
nur 1 - 2 x / die;
Aerius®-Sirup ab 2 J. zugelassen
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Antileukotrien
(Montelukast = Singulair® Granulat, mini, jr.-Kautbl.; Filmtbl.) |
besonders bei gleichzeitigem Asthma |
Vorteil: nur 1 x täglich;
Wirkung bei allergischer Rhinitis: eher schwach |
lokales Kortikosteroid
(b. Kindern vorzugsweise
Mometason = Nasonex® wg der geringen Bioverfügbarkeit)
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bei stärkeren Beschwerden |
Vorteil:
nur 1 - 2 x / die |
systemische Kortikosteroide
(z.B. Prednisolon = Decortin H®, Betamethason = Celestamine N 0,5 liquidum®) |
passager: bei starken Beschwerden |
bekannte NW;
möglichst nur
1 x / die |
alpha-Sympathomimetika
(z.B. Xylometazolin = Otriven® etc.)
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passager (vasokonstriktiv)symptomatisch |
möglichst nur wenige Tage;
cave: Tachyphylaxie!
NW: "Privinismus" (Rhinopathia medicamentosa)
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Kombinationen in jeder Form möglich !
Vorgehensweise
Neben einer akuten Symptomreduzierung ist Ziel der Therapie, entzündliche Veränderungen der Nasenschleimhaut zu dämpfen und dadurch eine effektive Prophylaxe von Langzeitschäden zu erreichen. Dabei ist das bestmögliche Verhältnis zwischen Symptomkontrolle und unerwünschten Wirkungen anzustreben. Dafür ist der optimale Applikationsweg (topisch oder oral) von entscheidender Bedeutung. Bei der topischen Applikation kommen in erster Linie Pumpsprays mit wässrigen Lösungen zum Einsatz.
Eine erste Orientierung für die Einleitung ei ner medikamentösen Therapie ist das Stufenschema nach der deutschen Leitlinie "Allergische Rhinitis" der DGAI (Tab. 2).
Tab. 2 Therapie der Allergischen Rhinitis, Stufenschema nach DGKI-Leitlinie
(SIT = spezifische Immuntherapie )
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mäßig bis schwer persistierend
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gering persistierend |
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mäßig-schwer intermittierend
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evtl. SIT |
evtl. SIT |
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gering
intermittierend
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evtl. orale GKS
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evtl. orale GKS
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intranasale
Glukokortikosteroide (GKS)
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= |
= |
= |
orale Antihistaminika |
= |
= |
= |
bei Konjunktivitis:
evtl. topische Antihistaminika oder Cromone
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= |
= |
= |
Allergenkarenz |
= |
= |
= |
"Komplementäre" alternative Behandlungsverfahren
Bei vielen betroffenen Kindern und Eltern besteht der Wunsch nach alternativen Behandlungsformen, zu der die traditionelle chinesische Medizin, insbesondere die Akupunktur, gehört. In Einzelfällen werden durchaus überzeugende Erfolge erzielt. Allerdings, stehen größere multizentrische Studien stehen bisher aus. Eine allgemine Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden.
Literatur:
Pfaar O et al.: Rhinitis allergica. Pädiatrische Allergologie 14, 6-13 (2011)
Bachert CB et al.: Leitlinie der DGAI zur allergischen Rhinokonjunktivitis. Allergologie 26, 15 (2003)
s. auch
Allergische Rhinitis
Klimek L., Pfaar O.: In: Lindemann H., Steiß J.O. (Hrsg.): Praxis der pädiatrischen Allergologie und Pneumologie. Dustri, München - Orlando 2006, S. 13-28
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